Nestlé: Make me Rich, Baby one more Time

Was sind ein paar Babyleben in den Slums der Philippinen gegen einen Milliardenumsatz?

Was auf dem Bild zu sehen ist, geschieht zum Leidwesen von Tausenden Säuglingen leider zunehmend selten: Nur noch ein Drittel der philippinischen Mütter stillt.

Themen wie Gesundheit und Kinder sind besonders reputationssensitiv. Bei der Gesundheit von Kindern sollten Corporates maximales Fingerspitzengefühl walten lassen.

Seit den 70er Jahren kratzt das Geschäft mit Babymilch an der Reputation des Lebensmittelgiganten Nestlé. Damals wurde bekannt, dass der Konzern sein Geschäft mit Milchpulver für Säuglinge auf beschämende Weise angekurbelt hat: Mit Gratispackungen des weißen Pulvers wurden junge Mütter auf das Nestlé-Produkt angefixt. In Krankenhäusern sowie mittels wie Krankenschwestern gekleideter Vertreterinnen wurde die Überlegenheit der Flaschenfütterung suggeriert.  ‚Was ist das Problem?‘ möchten man fragen, ‚angesichts der hohen Geburtenraten und schlechten Lebensbedingungen ist es doch gut, wenn Mütter, die nicht stillen können, auf Milchpulver ausweichen.‘ Das Pulver an sich ist nicht das Problem. Ohne Zugang zu sauberem Wasser kann jedoch jedes Fläschchen ein Todesurteil bedeuten. So war es auch in Afrika: Mit dem zunehmenden Verzicht auf Stillen schoss der Absatz an Babymilchpulver drastisch in die Höhe und gleichzeitig die Säuglingssterblichkeit aufgrund von Durchfall und Infektionen.

Legitimität entscheidet stärker über Reputation als das Gesetz.

Die WHO griff irgendwann durch und verbot kostenlose Milchpulverproben sowie Gratifikationen an Ärzte, die Milchpulver verschreiben. In einer aktuellen Dokumentation des WDR, Nestlé statt Muttermilch, wird gezeigt, wie Nestlé mit seinen verschiedenen Babymilchmarken (insbesondere mit den 2012 von Pfizer übernommenen Wyeth-Produkten) weiter jüngste Kunden gewinnt und damit deren Sterblichkeitsrate nach oben treibt. Nestlé weist die Anschuldigen auf seiner Webseite zurück und beteuert, korrekt zu handeln. So würde man Milch für Kinder unter einem Jahr entsprechend der Vorschriften nicht bewerben und auch keine Proben verteilen. In der Dokumentation erfährt man, wie u.a. Nestlé für Folgemilch, also Babymilch für Kinder von über einem Jahr, wirbt: Zu höherer Intelligenz und mehr Erfolg würde das Milchpulver den Sprösslingen verhelfen. „Ich bin mir nicht sicher … wenn es nicht so wäre, würden sie es doch nicht im Fernsehen zeigen“ kommentiert eine junge Philippina und Mutter die beliebte TV-Werbung. Indem nur Produkte für über 1-jährige beworben werden, bewegen sich die Hersteller von Babymilch im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften. Aber in einem Land, in welchem die Mütter sehr jung und oft wenig gebildet sind, liegt nahe, dass dadurch auch das Geschäft mit Säuglingsmilch angekurbelt wird.

Was, wenn die erhobenen Vorwürfe unwahr sind?

Schenkt man den Beteuerungen Nestlés Glauben, so verhält sich das Unternehmen auf den Philippinen äußerst korrekt. Kann Reputationskapital so einfach grundlos zerstört werden? Ja. Rufmord ist auch ohne Grundlage möglich. In jenem Fall kommt es aber zu einer kompletten Erholung der Reputation, sobald alle Umstände aufgeklärt sind. Bei Sachverhalten, die so ans Eingemachte gehen wie die Gesundheit von Babys in Armutsvierteln, ist es jedoch ungleich schwieriger, den Geruch unethischen Vorgehens abzuwaschen. Und in Anbetracht der höchst manipulativen Werbung, die in Kauf nimmt, dass arme Familien ohne Not Geld für Produkte ausgeben, deren Anwendung ohne sauberes Trinkwasser lebensgefährlich sein kann, ist eine Reputationseinbuße notwendige und logische Konsequenz. Wie meinte eine pakistanische Executive MBA Studentin in meiner Vorlesung vergangene Woche: Ich kenne etliche Frauen, die genau deshalb keine Nestlé-Produkte mehr kaufen. Word.

 

Bildnachweis: Rey Borlaza / Shutterstock

Keine Kommentare

Hinterlasse einen Kommentar