Diesel-Betrugsfall: Wolfsburg – Bayern 1:5 ein eher optimistisches Szenario

VW LÖST BP AN DER SPITZE DER REPUTATIONSKILLER AB. BISLANG 30 MRD. EUR UNTERNEHMENSWERT AUSGELÖSCHT.

„VW – Vertrauen weg“, „Lance Armstrong der Automobilindustrie“ titeln die Medien. „Wolfsburg – Bayern 1:5“ die Analysten in Anlehnung an das gestrige Bundesligaspiel. Wer den Reputationsschaden hat, braucht für Spott nicht zu sorgen. VW wird vermutlich noch den gesamten Winter aufs Korn genommen werden.

Der Clean-Diesel-Betrug von Volkswagen hat die Grundfesten des Konzerns ins Wanken gebracht. Mehr als 30 Mrd. EUR Börsenwert wurden in 2 Tagen ausgelöscht. Heute Früh haben die VW-Vorzugsaktien sogar die Schwelle von 100 Euro durchbrochen. Nach unten, versteht sich. Mit seiner perfiden Manipulationsstrategie hat VW die üblichen Tricksereien bei den Abgaswerten um ein Vielfaches überboten: Mit einer speziell angepassten Software erkennt der Motor, ob es sich um einen Test oder um eine normale Fahrt handelt, um im Fall eines Tests so zu laufen, dass er die Abgasnormen erfüllt. Auf Basis der tatsächlichen Emission von Stickoxiden hätte der Wert um ein Vielfaches höher gelegen. Zu hoch für Gegenden wie Kalifornien.

Nicht nur VW, sondern sämtliche Diesel-Hersteller sind betroffen: Regulierung und Testverfahren dürften für die gesamte Branche strenger werden und seitens der Konsumenten könnte sich eine gewisse Kaufzurückhaltung einstellen. Etwas mehr als die Hälfte der in Europa zugelassenen Fahrzeuge läuft mit Dieselmotor. Unwahrscheinlich, dass diese Quote stabil bleibt.

BETRUG IST DER REPUTATIONSSUPERGAU

Die Reputations-Wissenschaftler sind sich einig: Betrug ist der schlimmste Reputationskiller. Zwar erleiden die anderen Diesel-Hersteller durch den von VW verursachten Skandal ebenfalls Einbußen. Der Rückgang des Börsenwerts dürfte jedoch den operativen Schaden nicht übersteigen. Der Reputationsrückgang bei unverschuldetem Kollateralschaden ist der Theorie zufolge Null. Anders sieht es jedoch bei Betrug innerhalb eines Unternehmens aus: Neben den operativen Verlusten aus Schadensersatz- und Strafzahlungen, aus Produktrückrufen, Umsatzeinbußen und Gerichtskosten tritt bei solch gravierendem Fehlverhalten auch ein reiner Reputationsschaden auf. Bei VW ist er noch nicht eindeutig zu beziffern. Geht man von der anfänglichen Schätzung von knapp 500.000 betroffenen Fahrzeugen in den USA aus, die zum Höchstsatz von 37.500 USD/Fahrzeug angesetzt werden, ergibt sich eine Strafe von 18 Mrd. USD (16 Mrd. EUR). Randbemerkung: Nachdem General Motors beim Zündschlossskandal angesichts etlicher Toter nur mit einem dreistelligen Millionenbetrag bestraft worden ist, mag der kritische Geist dabei auch ein wenig an staatliche Industriepolitik denken. Aber das exkulpiert VW keineswegs. Mit über 30 Mrd. EUR, die die Marktkapitalisierung bislang eingebrochen ist, impliziert das einen Reputationsverlust von über 10 Mrd. Euro (wenn man zusätzlich zur Strafe noch Prozess- und Recall-Kosten berücksichtigt). Doch nun spricht VW plötzlich von 11 Mio betroffenen Fahrzeugen.

DEEPWATER HORIZON ANALOGIE

VW hat nun die gleiche US-Anwaltskanzlei beauftragt wie BP nach der Explosion seiner Plattform Deepwater Horizon. Wir können nur hoffen, dass man sich für eine andere PR- und Krisenkommunikationsagentur entschieden hat: Durch die lähmenden und unwürdigen gegenseitigen Schuldzuweisungen von BP, Halliburton und dem Plattformbetreiber Transocean hat es BP damals vermocht, seine Reputation zusätzlich zu schädigen. Wir werden sehen, ob die Behörden vorsätzlichen Betrug nicht sogar stärker ahnden als die fahrlässige Tötung von 11 Menschen im Golf von Mexiko.

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