Die Ölplattform – kann Diskriminierung manchmal zulässig sein?

Auf einer Ölplattform vor Westafrika leben und arbeiten europäische Expats und afrikanische Arbeiter unter komplett unterschiedlichen Bedingungen:

Ein großer europäischer Ölkonzern hat ein Bohrunternehmen damit beauftragt,  eine Bohrinsel vor der Küste von Abugestunu* in Westafrika zu betreiben und dort Erdöl zu fördern. Die Bohrinsel ist relativ klein, auf ihr arbeiten etwa 120 Abugestunier und 30 europäische Expats (das sind Fachkräfte, die von internationalen Unternehmen vorübergehend, i.d.R. für ein paar Jahre, in eine ausländische Zweigstelle entsandt werden).

Die Arbeits- und Lebensbedingungen der Abugestunier und der Europäer auf der Bohrinsel sind recht unterschiedlich:

Die Abugestunier essen, wohnen und schlafen im untersten Stockwerk mit 16 Mann pro Zimmer während der 28-Tage-Perioden, in welchen sie auf der Bohrinsel arbeiten. Nach den 28 Tagen fahren sie immer für ein paar Tage zurück ans Festland, das dauert etwa 18 Stunden mit dem Boot.

Die Europäer wohnen im Obergeschoss, jeder hat eine Art kleines Hotelzimmer mit eigenem Bad für sich. Es gibt einen Spieleraum, einen Kinosaal und auch das Essen ist für die Europäer viel besser als für die Abugestunier, es steht nämlich das gleiche Budget zur Verfügung (aber 30 vs. 120 Leute). Die Reise ans Festland erfolgt per Hubschrauber.

Auch die ärztliche Versorgung ist unterschiedlich: Medizinische Versorgung steht rund um die Uhr für die Europäer zur Verfügung, für die Abugestunier jedoch nur bei Schichtwechseln. Bei Notfällen wird selbstverständlich eine Ausnahme gemacht. Wenn es schlimme Unfälle gibt, bekommen beide Gruppen jedoch ebenfalls eine unterschiedliche Behandlung: Verletzt sich beispielsweise ein Arbeiter seinen Finger sehr schwer, wird der Europäer in die Hauptstadt ausgeflogen und dort der Finger zu retten versucht. Bei den Abugestuniern würde ein Arzt auf der Ölplattform den Finger amputieren.

Ab und zu besuchen abugestunische Regierungsfunktionäre die Plattform. Sie machen einen kurzen Rundgang, essen gemeinsam mit den europäischen Expats und fliegen dann mit dem Hubschrauber zurück. Ken einziges Mal haben sie die unterschiedlichen Arbeitsbedingungen angesprochen. Beobachtern zufolge interessieren sich die Regierungsvertreter überhaupt nicht für die Bedingungen der Abugestunier, zumal letztere vor allem aus von der Hauptstadt weit entfernten Landstrichen angeheuert werden, wo die Lebensbedingungen noch viel härter sind als in der Hauptstadt und vor allem auf der Bohrinsel.

Fragen:

  1. Ist es vertretbar, dass für die beiden Gruppen so unterschiedliche Budgets für jegliche Infrastruktur zur Verfügung stehen (Essen, Wohnen, med. Versorgung, Transport)?
  2. Falls ja, unter welchen Voraussetzungen könnte dies vertretbar sein?
  3. Hat der Ölkonzern die unbedingte moralische Verpflichtung, für gleiche Behandlung zu sorgen?
  4. Falls ja, bei allen Aspekten?
  5. Trägt der Ölkonzern trotz der Ungleichheit zur Verbesserung der Lebensbedingungen bei?

*Abugestunu ist ein fiktives Land, dessen Buchstaben Sie gerne umstellen dürfen, um mehr zu erfahren…

Die Geschichte, die auf einer Fallstudie der University of Richmond von 1990 basiert, habe ich auf unser heutiges Verständnis abgewandelt.

 

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